Ausblick 2022/19: Mit Sicherheit, nicht?
Über ein erneutes Treffen von Xi und Putin in Usbekistan und einen Rückschlag für Japans Regierung in Okinawa.
Willkommen zurück. Heute mit einem Blick auf den aktuellen Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, eine Wahlniederlage der japanischen LDP-Regierung im tiefen Süden des Landes und eine bizarre neue Video-Reihe des ehemaligen US-Außenministers Mike Pompeo. Los geht’s.
Grenzenlose Freunde wiedervereint: Nach dem Treffen der Shanghaier Organisation
Nach dem viel zitierten Treffen am Rande der Olympischen Winterspiele in Peking im Februar 2022, bei dem Chinas Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin die „grenzenlose Freundschaft“ ihrer beiden Länder heraufbeschworen, ist es diese Woche in Usbekistan zu einem erneuten Zusammentreffen der beiden Politiker gekommen. Grund dafür war der Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, einem von China initiierten Sicherheitsbündnis, welches eine Art Gegen-Nato in Ost- und Zentralasien werden soll. Daneben standen weitere Treffen Xis, der seit Beginn der Corona-Pandemie die Volkrepublik China nicht mehr verlassen hatte, mit Staats- und Regierungschefs zentralasiatischer Länder auf dem Plan.
Ein Thema des Xi-Putin-Treffens: Der Krieg in der Ukraine. Obwohl Peking vehement betont, eine neutrale Sicht zwischen Kyiv und Moskau einnehmen zu wollen, steht die chinesische Staatsführung relativ unerschüttert hinter Russland und verteidigt die völkerrechtswidrige Invasion. Schuld an dem Krieg seien vielmehr der Westen und vor allem die Nato, die sich bis an Russlands Grenzen ausgebreitet habe. Äußerungen von KPCh-Mitgliedern, wonach der Einmarsch in der Ukraine eine „Notwendigkeit“ darstellte, sprechen Bände. Reguläre militärische Übungen in Russlands Fernem Osten in der vergangenen Woche, an denen auch die Volksbefreiungsarmee Chinas beteiligt war, sind ein weiteres Zeichen dafür.
Chinas Staatsmedien haben die Reise von Xi Jinping großflächig auf den Titelseiten begleitet. Vor allem sind nette Worte des kasachischen Präsidenten Tokajew über Xi zu lesen, etwa in der People’s Daily (aus dem Newsletter Tracking People’s Daily, meine Übersetzung):
Präsident Xi sei ein echter großer Anführer, der die volle Unterstützung des chinesischen Volkes genieße, sagte Tokajew und fügte hinzu, dass China unter der bemerkenswerten Führung von Xi enorme Entwicklungsfortschritte gemacht, die extreme Armut beseitigt und in jeder Hinsicht eine wohlhabende Gesellschaft aufgebaut habe, und dass sich die chinesische Nation auf einer neuen Reise zur großen Verjüngung befinde. Er sei überzeugt, dass China unter der weisen Führung von Xi das große Ziel, ein modernes sozialistisches Land aufzubauen, wie geplant verwirklichen werde. Xi habe die großen Initiativen, wie die Belt and Road Initiative und den Aufbau einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit vorangetrieben und einen herausragenden Beitrag zum Aufbau einer neuen Art von internationalen Beziehungen geleistet, sagte Tokajew und fügte hinzu, dass die Globale Entwicklungsinitiative und die Globale Sicherheitsinitiative, die Xi vorgeschlagen habe, von besonderer strategischer Bedeutung für die Lösung der Risiken und Herausforderungen der heutigen Welt seien.
Tokajew äußerte außerdem ungebrochene Unterstützung für die Ein-China-Politik. Ähnliches war von offizieller Seite für Xi bei seiner Ankunft in Usbekistan vor dem Gipfel zu hören.
Viele nette Worte der gegenseitigen Unterstützung also. Doch wie relevant sind die Bekenntnisse Pekings zu Russlands militärischen Expansionsideen? Und wie wichtig ist die Shanghaier Organisation tatsächlich?
Von einem hochrangigen US-Diplomaten mehr oder weniger liebevoll auch als „Chinas Lieblings-Diktatorenclub“ bezeichnet, ist die Shanghaier Organisation in den vergangenen Jahren eher ein Papiertiger geblieben. Zwar gibt es, anderen Internationalen Organisation nicht unähnlich, ein Sekretariat und regelmäßige Treffen sowie sicherheitspolitische Absprachen. Auch gibt es ein in der usbekischen Hauptstadt Taschkent angesiedeltes Zentrum zur Terrorismus-Abwehr. Da die Staaten aber praktisch ausschließlich autoritäre Staaten oder lupenreine Diktaturen sind, ist der Wille zur freien Kooperation und zur Bildung von internationalen Institutionen dann doch eher auf gemeinsame Sicherheitsinteressen und eine Abgrenzung zu westlichen Bündnissen begrenzt.
Was allerdings in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus rückt: Die Mitgliedsstaaten scheinen die ökonomische Kooperation ausbauen zu wollen. Das war lange Zeit ein Dorn im Auge Russlands, das den wachsenden chinesischen Einfluss über die eigenen wirtschaftlichen Belange kritisch eingestuft hatte. Doch sicherlich auch aufgrund des Ukraine-Kriegs sind Moskaus Optionen derzeit deutlich begrenzter. Auch der Widerstand einiger zentralasiatischer Staaten gegenüber einer wirtschaftlichen Kooperation scheint in letzter Zeit zu schwinden.
Beim Aufbau einer neuen Weltordnung im Zuge des Ukraine-Krieges könnte der Shanghaier Organisation in Zukunft eine noch entscheidendere Rolle zukommen. Dies könnte, so von Peking und den anderen Regierungen gewollt, vielleicht einer der Bausteine einer parallelen internationalen Ordnung werden. Davon ist man derzeit aber noch entfernt.
Damit verbunden: Iran möchte nun auch in die Shanghaier Organisation aufgenommen werden.
Oppositionserfolg in Okinawa: Die Grenzen der „Zeitenwende“?
Zu den Oberhauswahlen Anfang Juli habe ich hier im Newsletter darüber berichtet, dass sich in Japans südlichster Präfektur, Okinawa, derzeit eine Art reallignment der Wählerschaft abspielen könnte. So hatte der Kandidat der Regierungspartei LDP, die seit Jahren ein großes Wählerproblem in Okinawa hat, bei der Wahl zwar kein Mandat vom breiten Oppositionsbündnis um den amtierenden Gouverneur Tamaki Denny zurückerlangen können; jedoch war der Vorsprung auf wenige Tausend Stimmen zusammengeschmolzen.
Der Hauptgrund für die seit Jahren schwache Performance der LDP in Okinawa ist die uneingeschränkte Unterstützung der Partei für die umstrittene Umsiedlung der Futenma Base des US-Militärs. Der US-amerikanische Militärstützpunkt ist seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge der lokalen Bevölkerung, unter anderem wegen der immer wieder auftretenden Gewaltverbrechen gegen Zivilistinnen, die nur unzureichend strafrechtlich verfolgt wurden. So hat es über die Jahre immer wieder Vergewaltigungen und Ermordungen durch Angehörige des US-Militärs gegeben. Auch die Umweltverschmutzung, die mit einer Umsiedlung verbunden wäre, gibt Vielen zu bedenken. Außerdem sind in der Präfektur Okinawa 62 % der US-Militäreinrichtungen in Japan beheimatet, obwohl die Präfektur weniger als 1 % der Landesfläche Japans ausmacht. Zudem hat es immer wieder Vorfälle mit verunglückten Militärflugzeugen und -hubschraubern gegeben. Dennoch gibt es konkrete Pläne, Futenma Base innerhalb Okinawas umzusiedeln und auszuweiten. Die Proteste der lokalen Bevölkerung werden von Tokyo konsequent ignoriert.
Spannend war nun also der Blick auf die Wahl zu Gouverneur, die vergangenen Sonntag stattfand. Tamaki konnte knapp 340.000 Stimmen (52 %) erlangen, der von der LDP unterstützte Kandidat Sakima Atsushi erreichte derweil knapp 275.000 Stimmen (41 %). Beide Kandidaten waren bereits 2018 angetreten, damals erreichte der erstmals antretende Tamaki 55 %, Sakima ungefähr 44 %.
Dieses Mal gab es jedoch mit Mikio Shimoji einen dritten Kandidat mit einem nicht unerheblichen Stimmanteil (7 %). Mikio wurde von der rechtspopulistischen Partei Nippon Ishin no Kai unterstützt und hatte sich ebenfalls kritisch gegenüber des Umzugs der Futenma Base geäußert.
Dieses Ergebnis, welches den Gegnern der Militärpräsenz weiterhin eine stabile Mehrheit in Okinawa bescheinigt, scheint eine Begrenzung des Spielraums für die Zentralregierung in Tokyo darzustellen. Auch wenn die LDP sich für eine amerikanische Präsenz ausspricht und derzeit so eindeutig wie selten auf die Notwendigkeit der eigenen Landesverteidigung mit Blick auf Chinas Manöver in der Umgebung von Taiwan hinweist, bleibt für viele Menschen vor Ort ein Unbehagen bezüglich der amerikanischen Präsenz, die eigentlich auch der japanischen Landesverteidigung dienen soll. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit eigener Aufrüstung scheint in der japanischen Bevölkerung spätestens seit den chinesischen Militärmanövern im Sommer gestiegen zu sein; dennoch bleibt die Unterstützung der pazifistischen Opposition in der südlichsten Präfektur, die sich relativ nah an Taiwan befindet, stark und mehrheitlich.
Lokale Befindlichkeiten spielen also immer noch eine große Rolle, trotz der vermeintlichen „Zeitenwende“ in der japanischen Sicherheitspolitik und in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch wenn die Zentralregierung angekündigt hat, dass die LDP-Niederlage in Okinawa nichts an den Plänen zur Umsiedlung der Militärbase ändert, sieht eine Unterstützung für diese Pläne der Kishida-Regierung anders aus.
Auch interessant: Am LDP-Kandidaten Sakima wurde im Laufe des Wahlkampfes Kritik geäußert, weil er mehrere Treffen mit Organisationen der sogenannten “Unification Church” abgehalten hatte (mehr zu der Problematik für die LDP im Newsletter der vergangenen Woche).
Und zum Schluss…
freue ich mich, diese bunte Rubrik gegen Ende des Newsletters mal wieder fortsetzen zu können. Und zu verdanken haben wir dies einem alten Bekannten, nämlich Ex-US-Außenminister Mike Pompeo. Der bekennende China hawk ist in der Vergangenheit schon mal beim solidarischen Verspeisen taiwanischer Ananas-Stückchen gesichtet worden. Diese Woche hat er eine neue Video-Reihe für das Hudson Institute, einen konservativen amerikanischen Thinktank, gestartet. Er möchte damit das chinesische Volk über die Boshaftigkeit der Kommunistischen Partei Chinas aufklären. Dafür hält er dann unter anderem eine Tasse mit dem Konterfei von Winnie the Pooh in die Kamera:
Das wars für heute. Kommenden Freitag erscheint eine neue dieses Newsletters. Kommentare oder Kritik? Immer gerne per E-Mail an ausblickost [at] gmail . com oder über Twitter. Dieser Newsletter darf auch gerne an Interessierte weiterempfohlen werden. Bis zum kommenden Freitag und Wohlan!