Woche 3: Soziale Protestbewegungen und Langzeitprojekt Italien
Oder: Willkommen im größten Teehaus Asiens
In der dritten Ausgabe dieses Newsletters reisen wir oberflächlich durch Asien und landen dann aber in Südeuropa. Es geht um neue Formen der Diplomatie und um öffentliche Meinungen. Thematisch bleibt die Sicht auf China eher negativ. Das werden wir in der nächsten Woche eventuell ein wenig relativieren…
Möchten Sie vielleicht noch ein wenig Demokratie zu Ihrem Milchtee?
(picture: @digidiploTaiwan, Twitter)
Frei nach einem bekannten Sprichtwort: Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann gründe...eine digitale Bewegung gegen Autokratie mit Verbündeten in deiner Weltregion.
Auf den ersten Blick sind ihre Probleme nicht miteinander verbunden. Studenten und andere Gruppen in Indien, Thailand, Hong Kong und Taiwan verbindet dennoch eine ganze Menge.
sie treten für Demokratie und Freiheitsrechte ein und sehen sich mit einem autokratischen System konfrontiert: Beinahe absolutistische Monarchie in Thailand, der kommunistische Einfluss aufs eigentlich autonome Hong Kong und das de facto unabhängige Taiwan
sie sind tech savvy: gut vernetzt in sozialen Netzwerken und der digitalen Welt, mit einer klaren Tendenz zum Erstellen effektiver Memes
sie trinken natürlich alle gerne Milchtee (wichtigster Unterschied zu China: dort wird Tee traditionell ohne Milch konsumiert)
die Kommunistische Partei Chinas, und die wachsende Anzahl von Internet-Trolls aus Festlandchina, wird von ihnen allen kritisch beäugt
Gerade in den letzten Wochen ist die Milk Tea Alliance verstärkt aufgetreten. Bei den Demokratie-Protesten in Bangkok, nach bewaffneten Auseinandersetzungen und an der indisch-chinesischen Grenze etwa. Sogar Taiwans Außenministerium hat die Milk Tea Alliance auf Twitter namentlich erwähnt. Mehr zu dem Phänomen hier:
<blockquote class="twitter-tweet"><p lang="en" dir="ltr">The "Milk Tea Alliance" of Thailand, Hong Kong, Taiwan. "This is the first transnational geopolitical Twitter war Thais have engaged in" says one Thai academic. Also with comments by Thai activist <a href="
14, 2020</a></blockquote> <script async src="https://platform.twitter.com/widgets.js" charset="utf-8"></script>
Was genau bedeutet dieses lose zivilgesellschaftliche Bündnis? Zum einen zeigt es eine wachsende Unzufriedenheit mit dem bedrohlicher aussehenden Nachbarn China, der sich in die Innenpolitik anderer Staaten der Region einmischt. Zum anderen bedeutet die Alliance auch, dass die Zivilgesellschaft einen wachsenden Einfluss auf Geopolitik zu haben scheint. Gerade Taiwan, diplomatisch isoliert und auf alternative Wege der Außenpolitik angewiesen, unterstützt Bewegungen, die sich auf die Seite des Inselstaates stellen.
Auf jeden Fall bleibt das Projekt ein spannender Hashtag, der in den kommenden Monaten (und evt. Jahren) ostasiatischer Außenpolitik relevant bleiben dürfte. Vor allem, wenn es um Pekings Einfluss in der Region geht.
Chinesische Propaganda in der neuen Zeit, Teil 2: Italien
Nachdem wir letzte Woche über die Ineffektivität chinesischer Propaganda in Japan gesprochen haben, soll es diesmal um ein gelungeneres Beispiel gehen. Zwar zeigt der Fall Italien kein Beispiel für gelungene Image-Pflege für Peking, aber zumindest einen bemerkenswerten Versuch der PR-Schadensbegrenzung.
Hintergrund: Chinas Image in der Welt ist laut einer derzeit viel zitierten Pew-Umfrage seit dem Ausbruch von Covid-19 katastrophal eingebrochen. Die letzte Woche erwähnten Auswertungen von Jordan Schneider haben außerdem gezeigt, dass die Aktivität von chinesischen Social Media-Accounts alles andere als effektiv ist.
Dennoch gibt es einen Lichtblick für Peking: Italien. Das südeuropäische Land war neben Griechenland das erste EU-Mitglied, welches Teil der Belt and Road Initiative für gemeinsame Infrastrukturprojekte geworden ist.
China hat bereits seit Jahren verstärkt PR-Kampagnen in Italien aufgebaut. Zudem wurden Masken in großer Anzahl während Italiens katastrophaler erster Covid-19-Welle im Frühjahr von China nach Rom geschickt.
Das Ergebnis: Italiener haben immer noch ein negatives Bild von der Volksrepublik China und seinem Präsidenten, Xi Jinping. Der Unterschied zu den anderen EU-Staaten ist dennoch signifikant. Es liegen knapp 10 Prozentpunkte zwischen der Ablehnungsrate in Italien (seit dem Vorjahr praktisch unverändert 62%) und etwa Deutschland (71%) oder Frankreich (70%).
Mehr zu den bilateralen Beziehung seit dem Beginn der Pandemie hier.
Der Ausblick: Italien bleibt vorerst Chinas „Einfallstor zur EU“ und Testlabor für öffentliche Meinungsbildung. Auch wenn das Projekt Belt and Road deutlich weniger durchgeplant ist als von vielen westlichen Beobachtern angenommen, bleiben Chinas Aktivitäten im Süden Europas spannend zu beobachten. Sie könnten auf Dauer sogar ein Modell für Peking bieten, die Bevölkerung in demokratischen Ländern positiver zu stimmen.
Und zum Schluss zwei kleine Empfehlungen:
In der aktuellen Ausgabe des Economst gibt es eine nette Kollumne über Teehäuser in China, die sogenannten Chaguan (dort findet man wahrscheinlich keine Milch…)
Der japanische Verlag Kodansha hat ein dreisprachiges Literaturprojekt names Day to Day (hier die englische Variante) gestartet, bei dem bekannte japanische Autoren über Monate kurze Geschichten über “Leben in Quarantäne 2020” geschrieben haben. Hilfreich zum Japanisch lernen aber auch zum Lesen auf Englisch oder Chinesisch sicher unterhaltsam.
Vielen Dank an dieser Stelle für das Feedback. Fragen, Kritik und Themenvorschläge sind jederzeit einzureichen über Twitter oder per Email an ausblickost@gmail.com.