Willkommen zurück. Diese Woche jubelte ganz Japan über einen Sieg gegen scheinbar überlegene Deutsche bei der Fußball-WM, in Seoul hat die parlamentarische Aufarbeitung zur Katastrophe in Itaewon begonnen und in Taiwan gehen die Menschen am Wochenende an die Urnen in den Regionalwahlen. Um all diese Themen geht es dieses Mal aber nicht. Stattdessen blicken wir nach Zentralsasien.
One Steppe Forward? Kasachstan nach der “Präsidentschaftswahl”
Das Ergebnis war im Endeffekt genau so ausgefallen wie erwartet: Umfragen vor der vorgezogenen Neuwahl hatten dem Amtsinhaber Qassym-Schomart Toqajew Zustimmungswerte jenseits der 80 % beschert. Das Endergebnis, eine Wiederwahl mit über 81 % der Stimmen, dürfte somit kaum jemanden überrascht haben.
Die Wahl hat, wie üblich bei potemkinschen demokratischen Abstimmungen in Zentralasien, in der hiesigen Berichterstattung eher wenig Aufmerksamkeit gefunden. Dass die staatlichen Behörden mit Repressionen, Verhaftungen und Einschüchterungsversuchen jegliche Äußerungen von oppositionellen Kräften unterdrückt haben – geschenkt.
Diese Betrachtung steht jedoch in krassem Gegensatz zur weltweiten Beachtung, die großflächige Proteste in Kasachstan noch zu Beginn des Jahres hervorriefen. Damals, noch vor Beginn des erneuten russischen Angriffs auf die Ukraine, hatte Moskau, als Verbündeter der kasachischen Regierung im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, noch Truppen in das zentralasiatische Land geschickt. Dieser russischer Einsatz hatte einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die Proteste schließlich niedergeschlagen werden konnten und Präsident Toqajew im Amt geblieben ist.
Und auch seit der blutigen Niederschlagung der Proteste ist Kasachstan in diesem Jahr erstaunlich präsent gewesen in der internationalen Wahrnehmung. Grund dafür ist die insgesamt wachsende geostrategische Bedeutung der Region. So stattete etwa die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock dem zentralasiatischen Land vor wenigen Monaten einen Besuch ab. Vor allem auch, um Investitionen in ein groß angelegtes Projekt zur Produktion von grünem Wasserstoff zu besprechen. Baerbock lobte bei Ihrem Besuch, dass sich Kasachstan im Ukraine-Krieg nicht offen auf die Seite Russlands geschlagen habe, dafür zolle sie Respekt.
Reformen, die keine waren
Ganz so einfach ließ sich der Unmut in der Bevölkerung im Frühjahr übrigens nicht unterdrücken. Das Toqajew-Regime sah sich offenbar gezwungen, gewisse Reformen anzustoßen:
So wurde Astana, die größte Stadt des Landes, von ihrem zwischenzeitlichen Namen Nursultan (so der Vorname des ehemaligen Präsidenten Kasachstans, der auch nach seinem Rücktritt einflussreich blieb) wieder befreit. Dieser Schritt wurde auch als eine Art Bruch zwischen Toqajew und dem politischen Clan seines Amtsvorgängers gedeutet.
Außerdem wurde die Verfassung so angepasst, dass ein Präsident nun nur noch ein einziges Mal gewählt werden darf. Für Toqajew selbst gilt diese Regelung erst ab der gerade abgehaltenen Wahl. Eine weitere Einschränkung dieser Reform ist allerdings, dass eine Amtszeit nun beachtliche sieben Jahre dauert und Toqajew so erst 2029 abtreten muss.
Spannend bleibt unter dem neuen und alten Machthaber die Haltung gegenüber Russland. Kasachstan hat Russland bislang und trotz der militärischen Hilfe Moskaus im Januar keine Unterstützung für den Überfall der Ukraine geleistet. Bei Abstimmungen in der Vollversammlung der UN hat man sich auch enthalten. Nachdem Putin die sogenannte Teilmobilmachung im September verkündet hatte, ließ die kasachische Regierung die Grenzen für russische Geflüchtete weiterhin offen. So konnten sich Kriegsdienstverweigerer zu den zahlreichen bereits geflüchteten Russinnen und Russen gesellen, die sich zuvor vor den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs nach Kasachstan gerettet hatten. Ähnliche Beobachtungen lassen sich in den anderen Stans (Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan) feststellen.
Ein für Kasachstan inzwischen wahrscheinlich viel wichtigerer Faktor als Moskau dürfte auch die enger werdende Anbindung an Peking sein. Das Land ist aus Sicht Pekings ein elementarer Bestandteil der chinesischen Belt and Road Initiative.
So gesehen steht Astana, wie auch andere Regierungen der Region, derzeit gut positioniert zwischen den Mächten, die sich immer stärker für Zentralasien zu interessieren scheinen. Weder der Westen, China noch Russland wollen ihren Einfluss in Zentralsasien aufgeben. Ob die verstärkte Aufmerksamkeit jedoch auch der Bevölkerung und deren Hoffnung auf mehr politische Rechte zugute kommt, ist derzeit noch nicht zu erkennen.
Und zum Schluss…
In wenigen Tagen dürften mehr Details zur neuen deutschen China-Strategie bekannt werden. Der 59-seitige Entwurf liegt bereits Medien wie dem Spiegel oder Politico Europe vor und scheint deutlich kritischere Position gegenüber China einzunehmen als in den vergangenen Jahren. Peking scheint darüber nicht gerade erfreut zu sein. Weitere Details werden folgen…
Soweit war es das für dieses Mal. Kommentare, Themenvorschläge oder Kritik? Immer gerne per E-Mail an ausblickost [at] gmail . com oder über Twitter. Dieser Newsletter darf auch gerne an Interessierte weiterempfohlen werden. Bis zum kommenden Freitag und Wohlan!