Ausblick 2022/21: Besuch bei Biden
Warum die USA mehr Überzeugungsarbeit im Pazifik leisten müssen. Und: Die Empfehlungen des Monats.
Willkommen zurück. In dieser Woche mit einem Policy Briefing zum Pazifik-Gipfel im Weißen Haus. Außerdem eine Übersicht über spannende Podcasts und Bücher aus der Region Ostasien.
Pazifik-Gipfel im Weißen Haus - Ein Briefing
Die Ausgangslage:
Im Indopazifik spitzt sich die Lage durch die wachsende Militärpräsenz der Volksrepublik China weiter zu. Die USA, bisher ohne großen Rivalen in der Region, scheinen immer mehr ihre Vormachtstellung zu verlieren. Zwar sind sie weiterhin omnipräsent, etwa durch Militärbasen, enge Allianzen mit Südkorea oder Japan oder durch substanzielle Sicherheitsversprechen für Taiwan.
Doch China hat es in den letzten Jahren geschafft, mehrere Erfolge zu erzielen und einige der kleineren Inselstaaten auf die eigene Seite zu ziehen. Das Musterbeispiel dafür sind fraglos die Salomon-Inseln. Diese haben nicht nur ihre diplomatische Anerkennung Chinas von Taipeh auf Peking gewechselt; vor einigen Monaten hat man zudem ein Sicherheitsabkommen mit der Volksrepublik abgeschlossen. Diese Entwicklung ist innenpolitisch auf den Salomonen äußerst umstritten, wird von der Zentralregierung aber weiter unbeirrt verfolgt. So hat das Abkommen bereits Konsequenzen für amerikanische und britische Militärschiffe gehabt, die nicht in einem dortigen Hafen anlegen konnten.
Die Entwicklungen der letzten Jahre
Spätestens seit der zweiten Amtszeit von Barack Obama haben sich die USA mit dem “Pivot to Asia” der Region wieder verstärkt angenähert. Auch wenn diese strategische Fokussierung auf den Indopazifik unter Donald Trump inhaltlich kaum vertieft wurde, ist die Rhetorik zwischen Washington und Peking immer weiter eskaliert. Die internationalen militärischen Ambitionen der USA haben sich in dieser Zeit schrittweise weiter von Europa weg und hin nach Ostasien verlagert.
Und während einige große Staaten in der weiteren Region – besonders Japan oder auch Indien – sich eindeutiger für eine Seite entschieden haben, bleibt ein Großteil der anderen Staaten in der Mitte zwischen Peking und Washington. So gibt es von chinesischer und amerikanischer Seite konkurrierende Bemühungen, mit den ASEAN-Staaten bessere Beziehungen aufzubauen. Doch auch die Gruppe der kleineren Inselstaaten sollte in der Region mit ihren maritimen Handelswegen und Einflusszonen nicht unterschätzt werden. Gerade auch US-Verbündete wie Australien, lange Zeit eine Art “Schutzmacht” für kleinere Staaten im Südpazifik, sehen die stärkeren Verbindungen einiger dieser Länder mit China zunehmend kritisch.
Die Entwicklung
Deshalb wollen die USA nun ein besseres Gegengewicht zu China aufbauen. Dafür hat sich US-Präsident Joe Biden Vertreter der Inselstaaten zu einem Gipfel ins Weiße Haus geholt. Im Mittelpunkt sollten verbindende Themen wie Klimawandel, Pandemiebekämpfung, wirtschaftliche Kooperation und auch maritime Sicherheit stehen. Dafür sollen auch umfangreiche finanzielle Mittel von den USA für die Pazifikstaaten bereitgestellt werden.
Bereits im Juni hat man die Etablierung einer neuen Staatengruppe bekannt gegeben: Die “Partner im Blauen Pazifik”. Was eher nach einer angestaubten Schlager-Band mit Hawaii-Hemden klingt, ist eine Staaten-Gruppierung unter Schirmherrschaft der USA zusammen mit Australien, Japan, Neuseeland und dem Vereinigten Königreich. Auch Deutschland hat am Rande der UN-Generaldebatte in New York erklärt, der Gruppe beitreten zu wollen. Gemeinsam sollen die Interessen der Pazifikregion und seiner kleineren Anrainer gestärkt werden. Doch reichen ein solcher Gipfel und dazu luftige Absichtserklärungen wohlhabender Nationen aus, um die Insel-Staaten wieder mehr an den Westen zu binden?
Ganz offensichtlich nicht. Zumindest ein Staat hat schon vor Beginn der Konferenz klar gemacht, dass man eine gemeinsame politische Erklärung zum Abschluss des Gipfels nicht unterschreiben wolle: Die Salomon-Inseln. Chinas Sicherheitsabkommen hat hier ganze Arbeit geleistet. Im Endeffekt hat das Land der Ekrlärung nach längeren Verhandlungen allerdings doch zustimmen können.
Auch die Marshall-Inseln haben Verhandlungen mit den USA über engere Handelsbeziehungen kürzlich erst auf Eis gelegt, auch mit Verweis auf die US-Atomwaffentests in dem Archipel vor vielen Jahrzehnten, welche bis heute schwere Nachwirkungen zeigen. Auch Kiribati hat, nach seinem Rückzug aus dem regionalen Pacific Islands Forum, offensichtlich eine eigene Agenda. All diese Faktoren machen es für die USA schwer, eine einheitliche Politik gegenüber den pazifischen Inselstaaten zu entwickeln.
Was jetzt passieren könnte
Die USA müssen den pazifischen Staats- und Regierungschefs klar machen, dass es bei diesem Gipfel nicht nur darum gehen kann, Chinas Ambitionen entgegenzuwirken. Vielmehr muss allen bewusst sein, dass man nachhaltig enge Beziehungen zwischen souveränen und eigenständig handelnden Staaten aufbauen möchte. Hier ein Vertrauen aufzubauen, könnte deutlich komplexer sein als von Washington erhofft. Und die USA müssen es schaffen, die individuellen Bedürfnisse der vom Klimawandel und anderen Problemen bedrohten Staaten zu adressieren. Die kulturellen und politischen Unterschiede zwischen polynesischen und mikronesischen Staaten zu verstehen und zu berücksichtigen, wäre beispielsweise ein notwendiger Anfang.
Ansonsten könnte ein solcher Gipfel, selbst bei mehrfacher Wiederholung, ein ähnliches Schicksal erleiden wie Chinas gescheiterte Osteuropa-Politik in der praktisch toten 17+1-Gruppe, die die Komplexität der heterogenen osteuropäischen Staaten beinahe vollkommen ausgeblendet hatte. China wird die Entwicklungen in Washington mit Sicherheit aufmerksam verfolgen.
Weiterführend:
Ich habe zu diesem Thema gestern auch eine Folge des tagesaktuellen Podcasts “Zurück zum Thema” bei detektor.fm moderiert. Hier gibt es die Episode zum Nachhören:
Fliegende Grüße aus Japan
Ein weiteres Ereignis, welches Peking aufmerksam verfolgt haben dürfte, sind die Testflüge der deutschen Luftwaffe mit den japanischen Selbstverteidigungskräften in dieser Woche. Unter dem Titel “Rapid Pacific 2022” sind nämlich derzeit unbewaffnete deutsche Eurofighter im Indopazifik für Testflüge mit Partnerstaaten wie Südkorea, Australien oder Singapur unterwegs.
Dabei war auch Zeit für Manöver über den Gewässern rund um Japan. Tokyo und Berlin betonten dabei die enge und vertrauensvolle Kooperation, von der beide Seiten eine Menge lernen könnten. Auch wenn es offiziell nicht so erklärt wird, sind diese Testflüge auch ein Signal an die Volksrepublik China, deren militärische Aktivitäten nicht nur in Japan oder in der Region Besorgnis erregen. Mehr Details über die “Mission” gibt es bei der Bundeswehr zu lesen.
Monatslese September - Empfehlungen zum Indopazifik und Ostasien
The Prince: Searching for Xi Jinping (The Economist)
Am Mittwoch sind alle acht Folgen der neuen Podcast-Reihe des Economist über den Generalsekretär der KPCh, Xi Jinping, erschienen. Passend vor dem Parteikongress, der Xi zu einer seit Mao beispiellosen dritten Amtszeit verhelfen wird, kann man so noch einmal mehr über die Herkunft, Hintergründe und Motivationen des vielleicht (zweit-)mächtigsten Mannes der Welt erfahren.
Der vielleicht am besten produzierte Podcast der Welt, 99 % Invisible, kommt regelmäßig mit faszinierenden neuen Episoden um die Ecke. So auch diese, die ein paar Hintergründe zur derzeit in westlichen Ländern beliebten Netflix-Serie はじめてのおつかい (Hajimete no Otsukai, “Mein erster Auftrag”) erklärt. In der Reality-TV-Show werden in einer echten japanischen Großstadt kleine Kinder, oft nur drei oder vier Jahre alt, von ihren Eltern alleine losgeschickt, um kleinere Besorgungen zum Beispiel in einem Lebensmittelgeschäft zu erledigen. Was für viele westliche Zuschauer herzlos und unverantwortlich wirken kann, verrät eine Menge über die Unterschiede zwischen Japan und der westlichen Welt: denn die städtische Infrastruktur in Japan ist viel besser auf Kinder ausgerichtet und bietet ihnen eine ziemlich sichere Umgebung. Absolute Hörempfehlung zur Horizonterweiterung. Danach oder davor darf man sich natürlich auch die Netflix-Sendung anschauen.
Qiu Miaojin - Aufzeichnungen eines Krokodils (Roman, übersetzt von Martina Hasse)
Dieser Roman erzählt die Geschichte der Studentin Laizi, die Frauen liebt und im Taiwan der 1980er Jahre lebt. Wie schwierig ein Leben mit dieser Identität in den letzten Jahren der Militärdiktatur ist, können Lesende hier erfahren. In Asien ist Aufzeichnungen eines Krokodils eine Art Kultbuch in der LGBT-Szene.
Im November werden wir den Roman im Buchlcub von connectingAsia besprechen. Wer mitmachen und das Buch selbst lesen möchte, sollte es bereits jetzt bestellen, da die Lieferzeiten bei dem kleinen deutschen Verlag recht lang sein können.
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