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Ausblick 2022/15: Von Wahlen und Amtsantritten
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Ausblick 2022/15: Von Wahlen und Amtsantritten

Wir blicken auf die Philippinen, Hong Kong und Südkorea.

Lars Feyen
May 13
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Ausblick 2022/15: Von Wahlen und Amtsantritten
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Willkommen zurück am Ende einer Woche, in der Nordkorea die ersten Corona-Infektionen überhaupt bestätigt hat, in der ein Video eines beinahe lebendig eingeäscherten Menschen in Shanghai die Gemüter weiter erregte und in der sich Japan und die EU gemeinsam besorgt über China und Russland zeigten.

Um all diese Themen soll es heute nicht gehen. Dieses Mal gibt es stattdessen eine Einordnung der philippinischen Präsidentschaftswahl, einen deprimierenden Blick auf die Selektion eines neuen Regierungschefs im unfreien Hong Kong und ein kurzer Ausflug zur Amtseinführung von Yun Seok-yeol in Südkorea.

Vorab noch folgende Ankündigungen:

  • Gestern ist eine neue Ausgabe vom Climate Bridge Podcast erschienen, der die transatlantische Kooperation in klimapolitischen Fragen beleuchtet. In dieser zweiten Ausgabe war ich Teil des Moderationsduos. Zu Gast war die Stellvertrerin des US-Klimasondergesandten John Kerry, die Klima-Anwältin Sue Biniaz. Die Folge gibt es hier zum Nachhören.

  • Außerdem wurde die berühmt-berüchtigte Quellen-Arbeit aktualisiert, mit Hinweisen auf eine Reihe spannender Newsletter und andere Nachrichtenquellen.


Von Verklärung und Zensur auf den Philippinen: Marcos Jr. ist neuer Präsident

Foto: Alexes Gerard, via unsplash.com

Es war eine langfristige Medien-Strategie, die die Familie des inzwischen verstorbenen ehemaligen Diktators Ferdinand Marcos seit Jahren verfolgt hat: in sozialen Netzwerken, allen voran Facebook, wurden durch zahlreiche anonyme Accounts positive Berichte und Propagandameldungen über die Errungenschaften der Diktatur-Zeit vor über 30 Jahren verbreitet. Wohlstand für weite Teile der Bevölkerung, verbesserte Infrastruktur, angeblich kaum Korruption und dafür viel soziale Sicherheit. Werte, die laut der Darstellung des Marcos-Clans in den letzten Jahrzehnten der Demokratie in den Philippinen zu kurz gekommen sind. Diese Darstellung der Vergangenheit ist, um es milde auszudrücken, eine vollkommene Umkehrung der Wahrheit: der Marcos-Clan und seine Verbündeten sollen während der Diktaturzeit etwa $ 10 Milliarden US-Dollar aus staatlichen Kassen abgezweigt haben (und im Fall von Ehefrau Imelda Marcos davon wahrscheinlich den einen oder anderen Schuh gekauft haben). Zehntausende Menschen wurden als politische Gegner verfolgt und gefoltert sowie Tausende gesicherten Erkenntnissen zufolge getötet, bevor eine Revolution Marcos Sr. aus dem Amt verjagen konnte.

Mit dem eindeutigen Wahlsieg von Marcos‘ Sohn, Ferdinand Bongbong Marcos, hat sich diese Strategie der selektiven Botschaften über eine komplexe Vergangenheit ausgezahlt. Bongbong wurde am Montag mit großer Mehrheit zum neuen Staatsoberhaupt des südostasiatischen Landes gewählt. Zusammen mit ihm wurde Sara Duterte, Tochter des derzeit noch mit autoritären Anwandlungen herrschenden Präsidenten Rodrigo Duterte, zur Vizepräsidentin gewählt.

Seit Beginn des Wahlkampfs ließ sich erkennen, dass Marcos Jr. eine Fortsetzung der eingangs erwähnten Social Media-Strategie auch im wahren Leben anstrebte – und damit einen signifikanten Teil der Bevölkerung erreichen konnte. Und wenn unabhängige Journalistinnen von Einschüchterungsversuchen bei Wahlkampfauftritten berichteten, stand schnell der pauschale Vorwurf der Fake News im Raum. Die Devise lautete: den Medien gegenüber schweigen, „direkt“ mit dem Wahlvolk kommunizieren, weiter ein positiv verklärtes Bild der Vergangenheit zeichnen.

Ein weiterer Faktor, der Bongbong Marcos zum Wahlsieg verhelfen konnte, war die Unterstützung einflussreicher religiöser Gruppen. Allen voran war es der christliche Fernsehkanal SMNI News, der einem evangelikalen Pastor gehört. Der Sender unterstützte die Kampagne des Diktatorensohns offensiv. In dem überwiegend katholischen Land mit seinen über 114 Millionen Einwohnern gewinnen – ähnlich wie in weiten Teilen Lateinamerikas – erzkonservative evangelikale Freikirchen immer mehr an gesellschaftlicher Relevanz. Hier wächst nach Angaben des evangelikalen „Joshua Project“ die Gruppe der Anhänger jährlich um 3.1 %, weltweit wächst die Zahl der Evangelikalen um 2.6 %.

Bei aller Aufmerksamkeit, die auch international auf Bongbong gelegt wird, kommt eine Analyse seines eigentlichen Wahlprogramms meist etwas kurz. Das liegt vor allem daran, dass er abgesehen vom Reinwaschen des eigenen Familiennamens wenig konkrete Vorstellungen von einer Zukunft entwickelt zu haben scheint. Wie Lian Buan, Journalistin beim unabhängigen Nachrichtenportal Rappler, berichtet, ist in dem Tandem aus Bongbong und Sara Duterte vor allem Letztere für die Inhalte verantwortlich.

Duterte, die politisch in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten scheint, verfolgt offenbar ähnliche politische Ziele wie dieser. Unter Rodrigo Duterte hat sich in den letzten Jahren ein brutaler Kampf gegen Drogenabhängige entwickelt, der tausende getötete Menschen in den Straßen hinterlassen hat. Während weite Teile der Weltgemeinschaft diese Entwicklungen mit großer Sorge verfolgt haben, ist die harte Hand der Polizei gegen angebliche „Drogendealer“ in den Philippinen selbst äußerst beliebt. Die außergesetzlichen Tötungen, die vor allem auch durch staatliche Organe durchgeführt zu werden scheinen, könnten unter einer Vizepräsidentin Sara Duterte weiter institutionalisiert werden: so plant sie, „nicht reformfähige Straftäter“ per Todesstrafe hinzurichten. Auch hat sie angekündigt, den Wehrdienst für alle Bürgerinnen und Bürger über 18 Jahre verpflichtend zu machen. Sie plane, so ein Bericht der BBC, gemeinsam mit Bongbong das Land zu einen und zu „einstiger Größe“ zurückzuführen.

Auch außenpolitisch präsentiert sich das neue Gespann als Blackbox. Über den großen Nachbarn China etwa gibt es zum Beispiel wenig konkrete Aussagen der Kandidaten. Tatsächlich sollten die Entwicklungen in den ersten Monaten der neuen Staatsführung genauer untersucht werden. Die Philippinen sind durch ihre Territorialkonflikte mit der Volksrepublik China und die geostrategisch wichtige Lage ein relevanter Faktor in der regionalen Sicherheitsarchitektur, gerade auch im Bewusstsein einflussreicher Staaten wie Japan oder Australien. Eine ernsthafte Kritik an der mutmaßlich weiterhin antidemokratischen Entwicklung der Regierung in Manila dürfte somit weder aus Tokyo noch Canberra oder anderen Hauptstädten zu hören sein.

Weiterführend:

  • The Conjugal Dictatorship Of Ferdinand And Imelda Marcos – Grundlegende historische Übersicht über die Diktaturzeit, als E-Book vollständig im Internet Archive zu finden

  • Eine Arte-Reportage, die Parallelen zwischen dem Drogenkrieg Rodrigo Dutertes und der harten Covid-Pandemiebekämpfung zieht (von 2020)


Hong Kong: Weniger Demokratie war noch nie

Während das für Beobachtende beunruhigende Wahlergebnis in den Philippinen durch eine in großen Teilen freie und faire Wahl zustande gekommen ist, gilt für eine weitere Abstimmung diese Woche das genaue Gegenteil.

Dass auf Regierungschefin Carrie Lam kein Anhänger einer demokratischen oder freien Gesellschaft folgen würde, war von vorneherein klar. Doch selbst im pro-kommunistischen Lager kann der frisch gewählte John Lee als besonderer Hardliner gesehen werden. Lee war seit 2017 Sicherheitschef der Sonderverwaltungszone und somit maßgeblich an der Verfolgung der Demokratiebewegung und der Niederschlagung der Proteste von 2019 beteiligt.

Im Gegensatz zu Lam, die auf eine lange Bürokratinnenkarriere unter britischer und dann chinesischer Verwaltung zurückblicken konnte und mit den Eigenheiten des Hong Konger Politapparats vertraut war, hat Lee nur eine einzige erkennbare Spezialisierung: Polizei und Sicherheit.

Lee war der einzige Kandidat in diesem Rennen, das alleine durch die Stimmen der Wahlkommission, eines von Peking kontrollierten Organs, entschieden wurde. 1416 Stimmen fielen auf John Lee, acht Personen stimmten gegen ihn.

Die meisten dürften sich noch an die Proteste von 2019 erinnern, bei denen in der Spitze bis zu zwei Millionen Hong Konger auf die Straße gingen (die Stadt hat etwa sieben Millionen Einwohner). Seitdem hat die politische Führung eine Reihe Maßnahmen getroffen beziehungsweise durch die Zentralregierung in Peking treffen lassen, die die Demokratiebewegung und die politische Opposition im Keim ersticken sollten. Eine Auswahl:

  • Zahlreiche Statuen, die an historische Verbrechen wie das Tiananmen-Massaker erinnern sollten, wurden aus dem öffentlichen Raum entfernt

  • Ein neues nationales Sicherheitsgesetz (welches den Begriff der nationalen Sicherheit nur schwammig und damit dehnbar definiert) wurde im Sommer 2020 verabschiedet

  • Unter dem neuen Gesetz sind zahlreiche Oppositionelle, Studierendengruppen, Journalistinnen und Medienorganisationen entweder zur Aufgabe gezwungen (siehe Apple Daily) oder in ihrem Kern ausgehöhlt worden (siehe RTHK)

Diese Entwicklungen werden den Ankündigungen Lees zufolge unter seiner Führung weiter intensiviert werden. Große Teile der Opposition sind inzwischen entweder inhaftiert, haben die Stadt Richtung Taiwan oder andere demokratische Staaten verlassen – oder sie schweigen.

Weiterführend:

  • Eine kurze Reportage über einen Satiriker und Kim Jong-un-Double, der sich als Gegenkandidat zu John Lee aufstellen wollte, findet sich beim Neuen Deutschland

  • Hong Kong ist im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen um mehr als 60 Plätze auf Position 148 von 180 gefallen.


Außerdem wichtig: Yun Seok-yeol tritt sein Amt an

Twitter avatar for @duyeonkimDr. Duyeon Kim @duyeonkim
S.Korean President Yoon Seok-yeol's inauguration. One of the first items is a video of military officers on Korea's islands & frontline vowing to protect the country at all costs & the firing of gun salutes. Such curtain raiser signals he'll be a "national security president"..1/
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May 10th 2022

18 Likes

Südkoreas neuer Präsident Yun Seok-yeol hat diese Woche sein Amt angetreten. In seiner Antrittsrede hat er Nordkorea wirtschaftliche Kooperation angeboten und einen Beitritt des südkoreanischen Sicherheitsdienstes in die Cyber Defense Unit der NATO bekanntgegeben. Außerdem gab es direkt zu Amtsbeginn eine Menge Ärger wegen der Verlegung seines Amtsitzes weg vom Blauen Haus. Japans Außenminister Hayashi Yoshimasa war für die Amtseinführung nach Seoul gereist, was ebenfalls als wichtiges Symbol einer Annäherung zwischen Seoul und Tokyo gesehen werden kann.


Und zum Schluss…

…endlich spricht es mal jemand an:

Twitter avatar for @SumikaiNewsSumikai.com @SumikaiNews
Nun hat auch Elon Musk davor gewarnt, dass Japan untergeht, wenn es den Bevölkerungsrückgang nicht stoppt. #japan
Elon Musk warnt davor, dass Japan untergehen wirdDer Milliardär Elon Musk hat davor gewarnt, dass Japan untergehen wird, wenn das Land seinen Geburtenrückgang nicht umkehrt. Er reagierte damit auf die neustesumikai.com

May 10th 2022

2 Likes

Soweit war es das für diese Woche. Nächste Woche wieder mit einer regulären Ausgabe. Kommentare, Themenvorschläge oder Kritik? Immer gerne per E-Mail an ausblickost [at] gmail . com oder über Twitter. Dieser Newsletter darf auch gerne an Interessierte weiterempfohlen werden. Bei Paywall-Problemen in verlinkten Artikeln stehe ich gerne mit Hilfe bereit. Bis zum kommenden Freitag und Wohlan!

Ausblick Ost ist ein wöchentlicher Newsletter von Lars Feyen (Twitter @lcfeyen)

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