Allen treuen Leserinnen wünsche ich einen guten Start ins neue Jahr!
In den kommenden Wochen und Monaten stehen zahlreiche geopolitische Fragen bezüglich Ostasien an, die zeitgemäß auch im Rahmen dieses Newsletters behandelt werden:
Wie wird die neue Biden-Regierung mit China umgehen? Starke Vermutung: die grundsätzlich feindselige Politik der Trump-Regierung wird auch unter Biden fortgesetzt. Änderungen gibt es im Umgangston und in der besseren Koordination mit anderen Staaten in Asien und in Europa. Vielleicht wird man in Peking sich noch zurücksehnen zur guten alten Trump-Zeit. Der Twitter-Feed des designierten Außenministers lässt Rückschlüsse zu:
The sweeping arrests of pro-democracy demonstrators are an assault on those bravely advocating for universal rights. The Biden-Harris administration will stand with the people of Hong Kong and against Beijing’s crackdown on democracy.(Interessantes Gegenargument vom ehemaligen China-Direktor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Ryan Hass, im Sinica-Podcast.)
Die EU hat der US-Administration derweil ein etwas größeres Ei in Form eines Investitionsabkommens mit China ins noch nicht gemachte Nest gelegt. Befürworter (besonders die Kommission, die deutsche Ratspräsidentschaft und interessanterweise die linke Tageszeitung Junge Welt) sehen darin signifikante Fortschritte bezüglich dem Verbot durch Zwangsarbeit. Kritiker (vor allem Grünen-Europaabgeordneter Reinhard Bütikofer und andere Europa-Parlamentarier) halten die Zusagen Chinas für reine Lippenbekenntnisse, während die Verletzung fundamentalster Menschenrechte, vor allem in Xinjiang, fortschreitet.
Kampf für Arbeitnehmerrechte und gegen moderne Sklaverei als anti-chinesische Agitation denunzieren und nebenbei die Fakten verdrehen, sowas hält sich für progressiv! Da sieht diese "Junge" Welt aber alt aus.(Mehr dazu bei der Zeit)
Japan wird spätestens im Herbst (eventuell deutlich früher) eine neue Regierung wählen. Ob diese dann immer noch von Suga Yoshihide geführt wird, ist unklar. Die regierende LDP wird dank einer praktisch bedeutungslosen Opposition mit Juniorpartner an die Regierung zurückkehren. Das bedeutet Beständigkeit – im besten Sinne (stabile Allianz mit den USA) und im schlechtesten Sinne (kaum Dialog mit Seoul, was für eine gemeinsame Strategie demokratischer Staaten gegenüber China sicherlich notwendig wäre)
(Suga beschäftigt sich derzeit lieber mit den wirklich wichtigen Themen, etwa wie man die Kaiserliche Familie dazu bringt, mehr männliche Thronfolger zu produzieren.)
Bevor wir uns mit den harten Themen des neuen Jahres befassen, ein eher zeitloses Thema, das mir diese Woche untergekommen ist.
Risse in der Mauer – Teil 1: Podcasts
Als großer Freund auditiver Medien lohnt es sich, immer mal wieder auf die chinesische Podcast-Szene zu achten. Podcasts werden (außer bei den bösen bösen Plattform-Kapitalisten von Spotify etc.) traditionell als Audiodatei über RSS Feeds verteilt. In den vergangenen Jahren hat der chinesische Staat zwar immer wieder RSS Feeds aus den App-Stores nehmen lassen. Dennoch scheint es mit der Technik immer noch möglich zu sein, Informationen durch die Great Firewall durchzuschmuggeln. Auch laufen diese Internet-Aktivitäten oftmals unterm Radar der Zensoren.
(Auch das jedoch in enger werdenden Grenzen)
Das gilt interessanterweise auch für Podcasts. Während in westlichen Ländern diese Formate immer kommerzialisierter und professioneller produziert werden (looking at you again, Spotify), hat das Genre Audio in der Volksrepublik anscheinend bisher mehr von seinem Amateur-Charme beibehalten können. So gibt es zwar beliebte Audio-Apps mit kostenpflichtigen Inhalten, aber auch eine Art “Untergrund”. Einzelne Sendungen erreichen hier nach (zugegeben ungenaueren) Schätzungen teilweise Hunderttausende. In einem Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern ist das zwar überschaubar, aber es bietet einer breiteren Hörerschaft die Möglichkeit, abseitige Themen zu diskutieren.
Die Möglichkeit, dadurch gesellschaftliche Umbrüche zu ermöglichen, dürfte dabei jedoch eher begrenzt sein. Wie der in Shanghai arbeitende Podcaster Yi Yang gegenüber HotPod vorletztes Jahr berichtete (in meiner Übersetzung):
Ich habe einige westliche Quellen gesehen, die [...] darüber gesprochen haben, wie sie [die Podcasts] einige "Themen behandeln können, die sich häufig um Themen drehen, die nicht von Mainstream-Anbietern abgedeckt werden", "aufgrund der Offenheit des Mediums". Bis zu einem gewissen Grad existiert dieses Phänomen, aber es ist nicht der Mainstream. Es stimmt, dass dort chinesische Podcasts eine „unabhängige“ Natur haben, aber ich denke, sie unterscheidet sich von der „Unabhängigkeit“, die in westlichen Werten verstanden wird. Es ist keine „Rebellion“ der Werte, sondern der natürlichen Vitalität aufgrund der Vielfalt der Inhalte und des Amateur-Produktionsniveaus.
(das ganze Interview ist hier nachzulesen)
Dennoch bleibt die Frage, ob und wie das Medium Podcast relevant sein könnte für einen begrenzten gesellschaftlichen Diskurs, der nicht von der Partei alleine gelenkt wird. Was würde passieren, wenn soziale Bewegungen (etwa die vor einigen Wochen beleuchtete Me-Too-Bewegung im Reich der Mitte) diese digitale Sphäre nutzen könnten? In einem Land, dessen Freiräume immer enger zu werden scheinen, ist das sicherlich ein Phänomen, dass weitere Beachtung verdient hätte.
Ich habe vor, aus “Risse in der Mauer” eine längere Reihe zu machen, um genau diese Lücken im chinesischen System zu beleuchten. Gedanken und Input dazu ist daher immer willkommen.
Aus gegebenem Anlass: Asien blickt nach Washington
Zu den bizarren Ereignissen in DC dieser Tage muss an dieser Stelle nicht mehr viel hinzugefügt werden. Oder doch?
Mir ist beim CNN-Schauen am Mittwochabend schon aufgefallen, dass sich zwischen den ganzen MAGA- und Rassisten-Flaggen auch anscheinend mindestens eine japanische und eine südkoreanische Flagge befanden. Ich kann das leider nicht mehr rekonstruieren oder verifizieren, da das nur im Fernsehbild zu sehen war und ich keine Bilder etc. online finden konnte. Was ich jedoch finden konnte, waren lebhafte Diskussionen zu indischen Flaggen, die offensichtlich vor dem Kapitol zu sehen waren. (Disclaimer: das kann natürlich auch eine Fotomontage sein)
(Weitere Bemerkungen zur Perspektive der Region auf die US-Politik hier.)
Die Frage ist: warum wehte diese Flagge dort? Eine einfache Antwort wäre die ideologische Verbindung zwischen Trump und Modi (siehe auch: Howdy, Modi). Der indische Premierminister äußerte sich jedoch kritisch gegenüber den Trump-Terroristen auf seinem privaten Twitter-Account:
Das hat mich dann auf die Idee gebracht, mal bei Zhao Lijian, Chinas Troll-In-Chief, vorbeizuschauen. Doch der äußerte sich nicht direkt zu den Aufmärschen in der US-Hauptstadt und retweetete nur seine (wohl etwas seriösere) Kollegin:
Auch hier kann man nur spekulieren, ob es Anweisungen an Zhao gab, sich da mal lieber zurückzuhalten mit der Schadenfreude.
Die staatliche Global Times konnte es sich dann aber doch nicht verkneifen, vermeintliche Parallelen zwischen den Trump-Anhängern und den Demonstrationen in Hong Kong darzustellen.
Soweit die erste Woche 2021. Kommentare oder Kritik? immer gerne per E-Mail an ausblickost [at] gmail . com oder über Twitter. Dieser Newsletter darf auch gerne an Interessierte weiterempfohlen werden. Bis zum kommenden Freitag und Wohlan!